Scheinselbstständig?

Seit einigen Monaten haben viele Kolleg*innen Probleme mit der DRV, die im letzten Jahr ihre Bewertungskriterien bezüglich der Scheinselbstständigkeit geändert hat und zurzeit viele Kolleg*innen als scheinselbstständig einstuft. Pflichtlektüre für alle Dozent*innen ist auf jeden Fall der aktuelle und ausführliche Beitrag von anwalt.de, in dem auch auf die letzten Urteile eingegangen wird. Die GEW Bayern hat sich bereits vor fast einem Jahr dazu geäußert. Der ausführliche Beitrag ist in der GEW Zeitschrift DDS (Juni 2023, Seiten 7-8) zu finden.

 

Was bedeutet das für uns? Die Lehrkraft hat theoretisch nichts zu befürchten, solange sie ordnungsgemäß ihre Rentenversicherung gezahlt hat. In der Praxis kommt es im Fall einer Prüfung auch für Lehrkräfte zu Verwerfungen. Das Goethe-Institut reagierte 2017 auf die Prüfung, indem es eine große Zahl freier Dozent*innen quasi über Nacht auf die Straße setzte. Ganz anders die Reaktion einer kleinen Musikschule: Sie übernahm ihre freien Lehrkräfte in Festverträge (und wollte dies später, als die Gefahr der Prüfung gebannt schien, prompt wieder rückgängig machen). Nachdem die DRV beim Goethe-Institut Scheinselbstständigkeit festgestellt hatte, gab es aber viel Widerstand, auch von der Politik, und die DRV musste  musste zurückrudern. Es kam zu einem Deal.

Wird bei einer DaZ-Lehrkraft Scheinselbstständigkeit festgestellt, gibt es viele mögliche Szenarien. Im Prinzip ist die Scheinselbstständigkeit das Problems der Trägers. Er müsste die Lehrkraft theoretisch einstellen. Im besten Fall bekommt sie also eine schöne feste Stelle. Die meisten Stellen sind aber nicht schön, denn man muss 40 UE pro Woche für ca. 3200 brutto monatlich schuften. Im schlimmsten Fall wird der Träger die Lehrkraft nicht mehr beschäftigen, falls er generell gegen Festanstellungen ist oder vielleicht wegen der Nachzahlungen schließen muss. 

Wenn man sich bei der DRV anmeldet bzw. im Rahmen des Feststellungsverfahren einen Fragenkatalog zu bearbeiten hat, muss man genau überlegen, wie man die Fragen beantwortet bzw. was man ankreuzt. Oft aufgrund ihrer Ignoranz und Naivität machen viele neue Kolleg*innen große Fehler. Ohne den Träger oder die älteren Kolleg*innen zu fragen, geben Sie einfach an, dass der Träger das Lehrwerk vorgibt. Dabei ist es nicht selten so, dass der Träger es die Wahl des Lehrwerks den Lehrkräften überlässt, entweder jeder Person oder dem Kollegium, das sich dann für ein oder auch zwei, drei Lehrwerke entscheiden sollen. Die meisten Kolleg*innen gehen davon aus, dass die Unterrichtszeiten und auch der Ort wie in Stein gemeißelt sind. Aber oft kann man mit dem Träger eine andere Zeit und einen anderen Ort, falls der Träger mehrere Standorte hat oder Online-Unterricht anbietet. Wir können also oft mitbestimmen. Sehr wichtig ist das unternehmerische Risiko, das alle Freiberufler haben. Wenn der Kurs nicht zustande kommt, wir sehr lang krank sind oder es zum Lockdown kommt, dann hat unser Unternehmen ein großes Problem. Oder das Klassenbuch: Man kann auch selbst den Unterricht dokumentieren und die Dokumentation dem Träger großzügigerweise zur Verfügung stellen, wenn er es unbedingt haben möchte. 

Wenn man große Angst vor der Scheinselbstständigkeit hat, dann sollte man vielleicht auf einige bequeme Vereinbarungen verzichten: Generalschlüssel, Schließfach, monatliche Honorarauszahlung usw. Hilfreich ist auch, wenn ein selbstständiger Dozent eine eigene Webseite hat, mit der er für sich und seine privaten Kurse wirbt. Generell wäre es hilfreich, der GEW beizutreten. Im Notfall bekommt man von der Gewerkschaft Rechtsberatung und auch Anwälte, falls es vors Gericht geht. Aber nicht rückwirkend, sondern nur für Fälle nach dem Beitritt.

 

Scheinselbstständigkeit ist ein hochkomplexes Thema. Was unter der Scheinselbstständigkeit zu verstehen ist, wird sehr gut von  Haufe erklärt. Die Clearingstelle der Deutschen Rentenversicherung bietet eine kostenlose Beratung an. Grundsätzlich kann Scheinselbstständigkeit immer nur in einer Einzelfallprüfung festgestellt werden. Entscheidende Kriterien sind die wirtschaftliche Abhängigkeit und Weisungsgebundenheit. Die Anzahl der Auftraggeber ist nicht entscheidend. Man kann auch nur einen haben und trotzdem nicht scheinselbstständig sein, wenn man nicht weisungsgebunden ist. Gibt es mehrere Auftraggeber, muss jedes Vertragsverhältnis für sich beurteilt werden. Wichtig sind Unterschiede zwischen Selbstständigen und Festangestellten, falls der Träger nicht nur Honorarkräfte beschäftigt. Die DRV schaut auch darauf, wer das unternehmerische Risiko trägt, wenn die Kurse ausfallen. 

Scheinselbstständigkeit betrifft nicht nur Dozent*innen. Wir unterliegen sowieso der Rentenversicherungspflicht und zahlen, hoffentlich alle, unsere RV-Beiträge. Es gibt aber viele andere Selbstständige, bei denen es ganz anders aussieht und für die sich die DRV in erster Linie interessiert. Trotzdem kann dieses Problem sehr negative Auswirkungen auf die ganze Erwachsenenbildung haben. Es kann natürlich auch zu einem positiven Paradigmenwechsel kommen, falls die Politik (Bund, Länder und Kommunen) einsieht, dass die Erwachsenenbildung ganz anders organisiert und vor allem viel besser finanziert werden muss.

(as)