Die GEW Hamburg hat gestern eine Studie vorgestellt, die für alle in den BAMF-Kursen beschäftigten Lehrkräfte, vor allem die Festangestellten, von enormer Bedeutung ist. In der Studie geht es um die Arbeitszeit bzw. die sog. Zusammenhangtätigkeiten, also all dies, was zum Unterricht gehört, aber außerhalb der Unterrichtsstunden liegt.
"Hintergrund der von Detlef Zunker im Auftrag der GEW Hamburg erstellten Studie „Unterrichtsbezogene Zusammenhangstätigkeiten bei der Durchführung von Berufssprachkursen – Untersuchung der Konzepte für ihre Durchführung“ ist die überwiegend prekäre Beschäftigung im Bereich der staatlich verantworteten, aber meist privatwirtschaftlich durchgeführten Kurse der Arbeitsmarktdienstleistungen nach SGB II/SGB III sowie der Sprach- und Integrationskurse. Ein wesentlicher Sektor innerhalb dieses Kurs- und Angebotssystems sind Berufssprachkurse (BSK), die sich der wichtigen Arbeit der Integration von Geflüchteten und Menschen mit Migrationshintergrund in den Arbeitsmarkt widmen.
Seit Jahren wird von den zuständigen Gewerkschaften ver.di und GEW gefordert, dass die Beschäftigten in diesem Bereich tariflich entlohnt werden, und deutlich gemacht, dass nur mit einer Obergrenze von 25 UE pro Woche bei einer Vollzeitstelle die Qualität der Ergebnisse, die die Teilnehmenden erzielen, und die Arbeitsbedingungen für die Kursleitenden verbessert werden können. In den Betrieben unterrichten derzeit viele abhängig beschäftigte Kursleitende häufig 40, teilweise sogar mehr, UE pro Vollzeitstelle. Dies wird von den zuständigen Ministerien zwar kritisch gesehen, aber eine nachhaltige Verbesserung dieser Strukturen wird bisher mit Begründungen wie „stark standardisierte Lernformate“ nicht in Aussicht gestellt.
Hier entsteht jetzt Bewegung. Im April 2021 hat sich auf Einladung des BMAS unter Beteiligung der GEW ein „Expertengremium Berufssprachkurse“ konstituiert mit der Aufgabe, die Durchführung der BSK zu evaluieren und Vorschläge für eine Weiterentwicklung ihres Systems zu entwickeln. Betrachtet werden soll auch die maximale Anzahl von Unterrichtseinheiten, die bei einer Vollzeitstelle pro Woche abzuleisten sind, und das im Kontext ihrer unterrichtlichen „Zusammenhangstätigkeiten“.
Diese Untersuchung macht nach der dort bereits vorgelegten qualitativen Befragung des Bündnisses DAF/DAZ-Lehrkräfte einen nächsten Schritt zur Erlangung einer überprüfbaren Faktenbasis. Grundlage sind die im Auftrag von BMAS und BAMF erstellten Konzepte, in denen die Durchführungsvorgaben für die BSK festgelegt worden sind."
Das Sprecherteam des Bündnisses DaF/DaZ-Lehrkräfte hält die Studie der Hamburger GEW für einen Meilenstein im Kampf um bessere Arbeitsbedingungen für DaFZ-Lehrkräfte. Sie ist nicht nur die erste "offizielle" Untersuchung zur Arbeitszeit in unserem Beruf. Sie kommt auch zum richtigen Zeitpunkt, denn gerade jetzt wird im "Expertengremium Berufssprachkurse" des BMAS das Thema Unterrichtszeiten behandelt. Zwei VertreterInnen das Bündnisses hatten im Februar die Gelegenheit, in einer Anhörung vor der zuständigen AG des Expertengremiums die dem BAMF, BMAS und BMI bereits vor einem Jahr vorgelegten Ergebnisse der Faktorisierungsumfrage vorzustellen und die Thesen des Bündnisses zu begründen. Das Bündnis hatte vor einem Jahr (fast) alle Aufgaben und Tätigkeit der BAMF-Lehrkräfte genannt, beschrieben und in Minuten beziffert. Das Sprecherteam ist nun sehr erfreut, dass sich eine GEW-Studie mit dem Thema befasst und ihr Fazit das Anliegen der Lehrkräfte unterstützt:
"Insgesamt wurde deutlich, dass hier keinesfalls von „stark standardisierten Lernformaten“ (BMAS gegenüber der GEW Hamburg 31) gesprochen werden kann, sondern von hochkomplexen, anspruchsvollen Kursformaten, die intensive Vor- und Nachbereitung, Sprachbedarfsanalysen, die Recherche relevanter Sprachhandlungen und die Entwicklung authentischer mündlicher wie schriftlicher Texte erfordern sowie die ständige Reflexion der Durchführung, intensiven kollegialen Austausch und regelmäßige Fortbildung.
Eine erfolgreiche, nachhaltige Kursarbeit ist nur möglich, wenn die LK im Regelfall unbefristet angestellt sind und eine Obergrenze von 25 UE pro Vollzeitstelle wöchentlich gilt. Dies müsste der Auftraggeber den durchführenden Einrichtungen verbindlich vorgeben und ihnen die entsprechenden finanziellen Mittel zur Verfügung stellen, damit die geforderten Qualitätsstandards in der Praxis überhaupt umgesetzt werden können. 45
In diesem Zusammenhang ist das Thema „Obergrenze von Unterrichtseinheiten“ besonders strittig, weil es unmittelbar Einfluss auf die Kosten hat.32 Eine deutlich bessere Ausstattung der Träger und eine verbindliche Festschreibung von 25 UE pro Vollzeitstelle, wie von der GEW gefordert, hätte unmittelbare finanzielle Auswirkungen zur Folge, die die prognostizierten positiven volkswirtschaftlichen Auswirkungen bei der Integration der Zugewanderten und Geflüchtete möglicherweise kurzfristig teilkompensieren würden."
Sehr aussagekräftig ist bereits das 2. Geleitwort von Prof. Dr. Andrea Daase (Uni Bremen) und Prof. Dr. Constanze Niederhaus (Uni Paderborn). Dort heißt es u.a.: "Die vorliegende Untersuchung der GEW basiert auf einer Analyse, der verschiedene Dokumente des BAMF zugrunde liegen. Auf der Basis dieser Dokumentenanalyse wird für eine finanzielle Absicherung der Lehrpersonen und die Festlegung einer Höchstzahl von 25 Unterrichtsstunden pro Woche argumentiert. Diese Argumentation ist aus fachlicher Sicht und im Sinne der Qualitätssicherung absolut gerechtfertigt, da es sich laute Ergebnis der Analyse der BAMF-Dokumente beim Unterrichten der BSK nicht um „standardisierte Lernformate“ handelt. Abgesehen von der grundsätzlichen Annahme, dass Lernformate in den seltensten Fällen wirklich standardisiert sein können, ist die Aneignung einer Zweitsprache ein höchst komplexer Prozess, der entsprechend ausgebildeter Expert*innen bedarf, die über ausreichend vergütete Zeit verfügen, um ihren Unterricht den jeweiligen Lernenden entsprechend bedarfsgerecht vor- und nachbereiten sowie durchführen zu können und sich fortzubilden. Bei aller bislang geäußerten Kritik an den Konzepten des BAMF für diese Kurse, verfügen sie doch über zahlreiche Aussagen, die genau diese Argumentation der GEW belegen. Darin liegt meines Erachtens die große Stärke des vorliegenden Textes – dem das BAMF eigentlich nur zustimmen und entsprechend handeln kann, würde es im gegenteiligen Falle doch die eigenen Konzepte und Vorgaben zur Makulatur erklären.
Hinzuzufügen wäre aus unserer Sicht noch, dass die Träger bereits jetzt mit einem akuten Mangel an qualifizierten Lehrpersonen konfrontiert sind. Sollten die geforderten Verbesserungen der Arbeitsbedingungen nicht bald realisiert werden, ist davon auszugehen, dass der Fachkräftemangel in diesem Arbeitsbereich noch eklatanter werden wird, was in der Folge bedeutet, dass weniger Kurse angeboten werden können. Dies widerspräche nicht nur der Bildungsgerechtigkeit, es würde auch eine schnelle Integration neu zugewanderter Personen in den Arbeitsmarkt verhindern und dementsprechend den bereits bestehenden Fachkräftemangel in vielen Branchen erhöhen."
(as)